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Maxim-Gorki-Theater mit zweierlei Maß

aktualisiert am 8.5.2022

Maxim Gorki Theater in BerlinMaxim Gorki Theater © 2011 Kopfsplitter-Foto

Maxim Gorki (28. März 1868 bis 18. Juni 1936) hieß eigentlich Alexei Peschkowin und war ein russisch-sowjetischer Schriftsteller. Seine Verbundenheit mit der Sowjet-Diktatur und dem Diktator Stalin war und ist unbestreitbar. 1952 wurde in der ehemaligen Singakademie im Ost-Berliner Bezirk Mitte ein Theater gegründet, welches nach Maxim Gorki benannt wurde. Auf der Website zur Geschichte des Hauses bleibt die Person des Namensgebers und erst recht die damit verbundene Problematik unerwähnt. Das hat Gründe.

Datum: 9. September 2020 um 20:58 Uhr
Betreff: Namen ändern

Sehr geehrte Frau Vogel,

in Ihrem Presseinfo vom 22. April 2020 fordern Sie: »Menschenrechte wahren – Lager auflösen – Evakuierung jetzt!«: Maxim Gorki Theater begrüßt Online-Kundgebung zur Lage der Geflüchteten in Griechenland.

Ein Widerspruch geht mir nicht aus dem Sinn. Ihr Engagement für Menschlichkeit würde nämlich glaubwürdiger, wenn Sie gleichzeitig auf den Namen Maxim Gorki, nach dem Ihr Theater benannt ist, verzichten würden. Ich zitiere aus Wikipedia:

"Er (Maxim Gorki] war Redakteur des Buches über den Weißmeer-Ostsee-Kanal, in dem eine Reihe bekannter Schriftsteller das Werk hunderttausender Zwangsarbeiter als große Errungenschaft besang. Nach einem Besuch auf den Solowezki-Inseln am 20. Juni 1929 verfasste er, obschon er offensichtlich die Inszenierung einer wohlgeordneten Umerziehung anstelle des Schreckens des Lagers durchschaute, einen hymnischen Reisebericht, der die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge und ihre erfolgreiche 'Umschmiedung' zu nützlichen Sowjetbürgern pries."

Warum ehren Sie einen Mann, der erwiesenermaßen die Nähe von Stalin suchte, dessen Verbrechen verteidigte und die Lebens- und Arbeitsbedingungen in sowjetischen Gulags sprich KZs lobte? Deren Insassen wären übrigens vermutlich überglücklich gwesen, wenn sie das Schicksal der Geflüchteten in den Lagern auf griechischen Inseln hätten erleben dürfen.

In Zeiten der Entwidmung von Denkmälern und Umbenennung von Straßen könnten Sie selbst auch einen eigenen Beitrag leisten und auf den Namen des Demokratie-Feindes Maxim Gorki verzichten. Wie wäre es zum Beispiel mit "Russisches Theater"? Das klingt neutraler und ist gleichzeitig nicht mehr so beschränkt.

Mit freundlichen Gruß

Am 28.9.2020 schickte ich eine weitere Mail an eine Frau Bause. Auch von ihr bekam ich keine Antwort. Nun wandte ich mich an die Direktion des Theaters.

Betreff: Maxim Gorki
Gesendet: 5. Oktober 2020 um 15:00 Uhr

Sehr geehrte Frau Özdemir,

am 20.9.2020 schickte ich unten stehende Mail an Frau Vogel und am 28.9.2020 an Frau Bause. Leider wurde mir weder der Eingang der Mails bestätigt noch wurde mir geantwortet. Mir ist nicht ganz klar, was die Mitarbeiter des Gorki-Theaters bisher abgehalten hat, mir eine Antwort zu schicken. So viel ich weiß, wird Ihr Theater nicht unerheblich aus Steuermitteln finanziert, also letztlich auch von mir. Und da interessiert mich als Steuerzahler schon, wie Sie Ihre Außendarstellung betreiben.

Aber wenn Sie nicht antworten wollen, werde ich diese Frage eben anderen Personen außerhalb des Theaters stellen. Vielleicht gehen diese offener damit um.

Mit freundlichem Gruß

Maxim Gorki besichtigt das Solowezki-Lager am 20. Juni 1929 Zitate und Foto: Wikipedia extern🡽

20. Juni 1929: Maxim Gorki (vierter von rechts), eingerahmt von Funktionären der sowjetischen Geheimpolizei OGPU, besichtigt das "Solowezki-Lager zur besonderen Verwendung" (SLON).

Nach diesem Besuch verfasste Gorki einen "hymnischen Reisebericht, der die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge und ihre erfolgreiche 'Umschmiedung' zu nützlichen Sowjetbürgern pries."

Betreff: AW: Maxim Gorki
Gesendet: 6. Oktober 2020 um 10:55 Uhr
Von: "Direktion"

Vielen Dank für Ihre Mail, deren Eingang wir hiermit bestätigen. Es tut uns sehr leid, dass Ihre vorigen Mails die Empfänger nicht erreicht haben; wir werden der Sache nachgehen.

Ihr Anliegen betreffend bzgl. der Umbenennung des Maxim Gorki Theaters, nehmen wir auch ernst und sobald wir hier zu einem Ergebnis gekommen sind, würden wir uns wieder bei Ihnen melden.

Herzliche Grüße,
Çiğdem Özdemir

Die Monate gingen ins Land ohne Neuigkeiten bzgl. der Umbenennung des Maxim Gorki Theaters. Es wurde Zeit, den für die Berliner Kultur verantwortlichen Senator, Klaus Lederer, in die Diskussion einzubeziehen.

Gesendet: 1. April 2021 um 10:39 Uhr
Betreff: Zweierlei Maß

Sehr geehrter Herr Lederer,

seit 1952 gibt es in Berlin das Maxim-Gorki-Theater, das kleinste der Berliner Staatstheater. Dieses ist nach dem russisch-sowjetischen Schriftsteller Maxim Gorki benannt.

Auf der Wikipedia-Seite kann man über Maxim Gorki lesen:

"Er war Redakteur des Buches über den Weißmeer-Ostsee-Kanal, in dem eine Reihe bekannter Schriftsteller das Werk hunderttausender Zwangsarbeiter als große Errungenschaft besang. Nach einem Besuch auf den Solowezki-Inseln am 20. Juni 1929 verfasste er, obschon er offensichtlich die Inszenierung einer wohlgeordneten Umerziehung anstelle des Schreckens des Lagers durchschaute, einen hymnischen Reisebericht, der die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge und ihre erfolgreiche 'Umschmiedung' zu nützlichen Sowjetbürgern pries."

Und zum "Solowezki-Lager" heißt es weiter bei Wikipedia:

"Im 20. Jahrhundert wurden die Solowezki-Inseln zu einem Symbol der russischen Geschichte, zum Inbegriff des Roten Terrors in Sowjetrussland und nachfolgend des Großen Terrors. Lenin ließ bald nach Gründung der Sowjetunion hier ein Arbeitslager einrichten, in dem 1923 über 3.000 Häftlinge untergebracht waren. Das Solowezki-Lager zur besonderen Verwendung bildete die Keimzelle für den berüchtigten Gulag und beherbergte auf dem Höhepunkt 1931 um 71.800 Häftlinge... In den Wäldern der Insel wurden mehrere 10.000 Menschen ermordet... Das Lager war gekennzeichnet durch schlechte medizinische Versorgung, Misshandlungen bis zur Folter sowie unzureichende Nahrung für die Häftlinge."

Das Motto über dem Eingangstor des Lagers lautete übrigens: "Laßt uns mit eiserner Hand die Menschheit ihrem Glück entgegentreiben." Viel schlechter hätten es die Nazis auch nicht sagen können. Wen wundert es also, wenn dieses Motto an die Sprüche über den Eingangstoren von deutschen Konzentrationslagern erinnert?

Und mich wundert außerdem, dass ein Staatstheater, dass nicht unerheblich mit Steuermitteln finanziert wird, immer noch nach einem solchen Stalinisten und Menschenfeind benannt ist. Und das wundert mich umso mehr, weil Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim Gorki Theaters, in einem Presse-Info am 22.4.2020 hinsichtlich ganz anderer Lager forderte: »Menschlichkeit darf nicht an EU-Außengrenzen aufhören, erst recht nicht in der Corona-Krise. Während Politik und Gesellschaft von Solidarität sprechen, überlassen wir in beengten Lagern Tausende Geflüchtete ihrem Schicksal. Ihr Recht auf Leben ist in Frage gestellt. Ihnen müssen wir jetzt helfen – und zwar allen!«

Wenn Frau Langhoff von Solidarität spricht, meint sie auf jeden Fall nicht die Solidarität mit den Opfern der von MAXIM GORKI gepriesenen sowjetischen Terrorlager. Was für ein Zynismus! Selten hat das Zitat aus der Bergpredigt besser gepasst: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"

Ich hatte übrigens mein Anliegen im Oktober 2020 den Verantwortlichen vom Maxim-Gorki-Theater gemailt. Die letzte Antwort vom 6.10.2020 lautete:

Betreff: AW: Maxim Gorki
Datum: 2020-10-06T10:55:59+0200

vielen Dank für Ihre Mail, deren Eingang wir hiermit bestätigen. Es tut uns sehr leid, dass Ihre vorigen Mails die Empfänger nicht erreicht haben; wir werden der Sache nachgehen.

Ihr Anliegen betreffend bzgl. der Umbenennung des Maxim Gorki Theaters, nehmen wir auch ernst und sobald wir hier zu einem Ergebnis gekommen sind, würden wir uns wieder bei Ihnen melden.

Herzliche Grüße,

Çiğdem Özdemir

Seitdem hörte ich leider in dieser Angelegenheit nichts mehr von diesem Theater.

Ich bedanke mich schon jetzt für einleuchtende Antworten Ihrerseits und verbleibe mit freundlichem Gruß

Ziemlich schnell bekam ich Antwort vom Leiter des Senatorenbüros, Dr. Andreas Prüfer:

Betreff: AW: Zweierlei Maß
Datum: 12. April 2021 um 12:14 Uhr

Senator Dr. Lederer dankt Ihnen für Ihre Anfragen und hat mich gebeten Ihnen zu antworten.

Zu Maxim Gorki und dem Gorki –Theater könnte man auch andere Passagen des Wikipedia-Eintrags zu zitieren, die so herausgenommen, ein ganz anderes Bild vermitteln würden. Ich denke, Gorki war unstrittig ein sehr widersprüchlicher Künstler in seiner Zeit. Ihre Position zur Person des Dichters ist da genauso wichtig, wie die Einschätzung das der Theatername seine Arbeit als Schriftsteller und Dramatiker am Beginn des Jahrhunderts würdigt, die mit dem, was er in den 20er Jahren politisch äußert, wenig zu tun hat. Diese Widersprüchlichkeit, die in den Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts verhaftet ist, teilt er mit vielen. Ähnliches gilt z.B. für Lion Feuchtwanger oder Anna Seegers, man könnte auch Emil Nolde, Richard Strauss oder Gerhardt Hauptmann und andere nennen.

Ich sehe allerdings nicht, worin ein Widerspruch zur Verurteilung stalinistischer Lager besteht, wenn die Intendantin des Gorki-Theaters heute fordert, Tausenden Geflüchteten in beengten Lagern zu helfen. Halten Sie denn diese Lager für besser?  Sich – auch aus der Lagererfahrung des 20. Jahrhunderts - dagegen zu wenden, halte ich für die richtige Konsequenz.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Andreas Prüfer

Senatsverwaltung für Kultur und Europa
- Leiter des Senatorenbüros -

Josef Stalin

Josef Wissarionowitsch Stalin lebte vom 18.12.1878 bis zum 5.3.1953. Von 1922 bis zu seinem Tod war er Generalsekretär des ZK der KPdSU. Um ihn rankte sich ein beispielloser Personenkult, der nach dem Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gegen Hitlerdeutschland seinen Höhepunkt erreichte. Maxim Gorki war ihm eng verbunden. Nach Gorkis Tod und Einäscherung trug Stalin selbst die Urne zum Roten Platz.

Zitat aus Wikipedia:

"Während seiner Regierungszeit errichtete Stalin eine totalitäre Diktatur, ließ im Rahmen politischer „Säuberungen“ mehrere Millionen vermeintliche und tatsächliche Gegner verhaften, in Schau- und Geheimprozessen zu Zwangsarbeit verurteilen oder hinrichten sowie Millionen weiterer Sowjetbürger und ganze Volksgruppen besetzter Gebiete in Gulag-Strafarbeitslager deportieren. Viele wurden dort ermordet oder kamen durch die unmenschlichen Bedingungen ums Leben."

Datum: 15. April um 17:24 Uhr
Betreff: AW: Zweierlei Maß

Sehr geehrter Herr Dr. Prüfer,

zunächst danke ich Ihnen für die schnelle und ausführliche Antwort, die ich aber nicht unkommentiert lassen kann.

...Natürlich halte ich die Flüchtlings-Lager in Griechenland für weitaus besser als die von Maxim Gorki gerühmten stalinistischen Lager,

  1. weil keiner dorthin als Gefangener gebracht wurde (dagegen alle in den Solowezki-Lagern)
  2. weil keiner dort zu Zwangsarbeiten herangezogen wird (dagegen alle in den Solowezki-Lagern)
  3. weil keiner gefoltert oder gar zu Tode gequält wird (dagegen extrem viele in den Solowezki-Lagern)

Wenn Sie diese Unterschiede genau wie Frau Langhoff oder wohl auch Herr Lederer nicht sehen können oder wollen, dann hat das nichts mit Logik, aber umso mehr mit Ideologie und Gesinnung zu tun. Dann bekennen Sie sich bitteschön auch offen dazu und begründen das nicht mit der "Widersprüchlichkeit, die in den Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts verhaftet ist".

Ihre angeführten Beispiele wie Feuchtwanger, Seghers, Nolde, Strauss und Hauptmann haben in diesem Zusammenhang überhaupt nichts mit meinem Thema "Zweierlei Maß" zu tun. Ich werfe Frau Langhoff und dem Gorki-Theater Unglaubwürdigkeit und Heuchelei vor und wiederhole gerne das Zitat aus der Bergpredigt: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"

Exakt beschrieben wird diese Problematik im neuen Buch von Sarah Wagenknecht "Die Selbstgerechten". Nur ein Zitat:

"Was den Lifestyle-Linken in den Augen vieler Menschen und vor allem der weniger Begünstigten so unsympathisch macht, ist seine offensichtliche Neigung, seine Privilegien für persönliche Tugenden zu halten und seine Weltsicht und Lebensweise zum Inbegriff von Progressivität und Verantwortung zu verklären."

Ich möchte ergänzen: Kein Problem haben diese Selbstgerechten damit, sich diese Privilegien vom eigentlich verachteten Normalbürger, der ihren Denkgeboten nicht folgen mag, auch noch finanzieren zu lassen. Allerdings habe ICH ein Problem damit.

Da Sie und der Kultursenator mitsamt dem Gorki-Theater offenbar mit der von mir angeprangerten Doppelzüngigkeit gut leben können und diese sogar verteidigen, werden Sie mir vermutlich keine neuen Gesichtspunkte zukommen lassen, die mich beeindrucken könnten. Für diesen Fall haben Sie sicher Verständnis dafür, dass ich diese Thematik an anderer Stelle zur Diskussion stellen werde.

Mit freundlichen Grüßen

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